3. Prozesstag im Breite Straße Verfahren
Der dritte Prozesstag beginnt damit, dass ein Beschuldigter nicht anwesend ist. Nachdem die Staatsanwaltschaft daraufhin einen Haftbefehl beantragt erlässt der Richter einen solchen, beantragt U-Haft und trennt das Verfahren ab – eine Wiedervereinigung bleibt aber möglich. Die beiden Verteidiger des Betroffenen müssen den Gerichtssaal verlassen.
Der Richter will in seinem Plan weiter voran kommen und versucht wieder die Angeklagten zu fragen, ob sie sich zur Sache äußern wollen.
Zu den Entscheidungen des Gerichts vom vergangenen Montag gibt es einige Gegendarstellungen seitens der Verteidigung die zuvor dargestellt werden müssen:
Das Gericht hatte ausgesagt eine mögliche Bewaffnung der eingesetzten Polizist_innen sowie welchen Einheiten diese angehören sei nicht bekannt, das sei alles Aufgabe der Justizverwaltung. Hierzu stellte die Verteidigung klar, dass dies Kernbereich des Vorsitzenden sei. Die Mitteilung das Gericht habe keine Kenntnis über Anwesenheit und Anforderung der Polizist_innen könne nicht ernst gemeint sein.
Die im Gericht eingesetzte Einheit DE 341 war in der Breite Straße eingesetzt und komme darum als Zeug_innen in Betracht – nun nicht mehr.
Die Sicherheitsmaßnahmen (Staatsschutzsaal, Polizist_innen etc.) sind vom Gericht eben nicht inhaltlich begründet worden. Den Zuschauer_innen wird ohne Begründung unterstellt eine Gefahr zu sein.
Die Einheiten sowie ihre Bewaffnung muss das Gericht offenlegen so die Verteidigung weiter.
In einer weitere Stellungnahme wurde ergänzt, dass ein konkreter Beamter der bei der Festnahme in der Breite Straße beteiligt war auch im Gericht anwesend war und dass das Gericht in Zukunft dafür zu sorgen hat, dass so etwas unterbleibt.
Dann ging die Verteidigung noch einmal auf die fehlenden Akten ein. Nicht nur das Gericht sondern auch die Staatsanwaltschaft sind verpflichtet diese zur Verfügung zu stellen. Hier beschränkt das Gericht grundlegende Verfahrens- und Verteidiger_innenrechte, eine weitere Verletzung dieser Rechte durch das Gericht ist darum klar.
Die Akten sind nicht komplett und das zur Begründung genannte BVG Urteil des Gerichts ist auf diese Situation komplett nicht anwendbar.
Um 12 Uhr zeigt der Richter was er von der Verhältnismäßigkeit der Mittel hält. Er droht unmittelbar nach einer Pause einer Besucherin aus dem Nichts Ordnungsgeld und Beugehaft an wenn sie noch einmal ihre Füße auf die Bank vor sich abstützt, ihre Mütze nicht abzieht und weiter ostentativ gähnt. Den Einwand der Verteidigung dass bei den Mitteln die Verhältnismäßigkeit zu wahren sei schreit er nieder. Nachdem sein Ausfall zu Ende ist wird der Einwand dann doch noch zu Protokoll genommen.
Es folgen weitere Stellungnahmen der Verteidigung:
Zu den fehlenden Akten wird ergänzt:
– Von der Staatsanwaltschaft steht eine Vollständigkeitserklärung weiterhin aus. Die Annahme dass Aktenteile fehlen ist begründet und eine Akteneinsicht für die Verteidigung fundamental.
Zu den eingesetzten Polizist_innen wird ergänzt:
– Es wird beanstandet dass das Gericht die gleichen Polizist_innen eingesetzt hat wie in der Breite Straße.
– Allgemein schüchtern Polizist_innen die Öffentlichkeit ein.
Heute ist nur ein Polizist da, dieser gibt auf Nachfrage seinen Namen an und mit dem Verfahren nichts zu tun zu haben. Er sei momentan bei der Gerichtswache und nur eine Woche im Gericht im Wechsel eingesetzt. Die Verteidigung fragt nach dem Dienstauftrag des Polizisten, eine Antwort auf diese Frage wird vom Gericht verhindert.
Wieder will der Richter in seinem Plan fortfahren die Beschuldigten zu befragen ohne über die gestellten Anträge zu entscheiden. Die Verteidigung stellt klar, dass es zum jetzigen Zeitpunkt (Anträge offen, Akten unvollständig) unmöglich sei sich mit den Mandant_innen zu beraten und beantragt dass der Status Quo erhalten bleibt, die Angeklagten sich also auch noch später mit gleichem Gewicht äußern können.
Die Verteidigung beantragt weiter zuerst über die gestellten Anträge zu entscheiden und stellt klar, dass das Gericht vor dem Einstieg in die Beweisaufnahme entscheiden muss. Der Richter bestätigt seine Anordnung Videos zu gucken, eine Entscheidung über die gestellten Anträge sei nicht nötig.
Der rechtliche Streit um den Beginn der Beweisaufnahme zieht sich hin. Im Wesentlichen geht es darum, dass das Gericht Fakten schaffen will und starr an seinem Plan festhält die Videos zu sichten und sich mit den offenen Fragen nicht beschäftigen will, bzw. versucht diese wie bei der Frage nach der Aktenvollständigkeit zu umschiffen.
Die Verteidigung stellt klar, dass bei den Betroffenen der Eindruck entsteht, dass über die Verteidigung hinweg gegangen wird, dass die Verteidigung ignoriert wird. Dass nun Videos geschaut werden sollen geht gar nicht, es sei nicht mal klar woher das Video kommt, wo es gelagert wurde, ob es bearbeitet wurde usw. In der ersten Verhandlung war geplant zuerst den Polizisten der das Video gefertigt hat zu vernehmen, es gibt keinen Grund nun davon abzuweichen. Die Schöpfungskette muss berücksichtigt werden und das Video steht am Ende dieser Schöpfungskette.
Die Verteidigung macht den pragmatischen Vorschlag den Prozesstag zu beenden und die Anträge sacken zu lassen.
Der Richter erklärt sinngemäß es gibt Videos und wenn die Verteidigung sein Vorgehen beanstanden will ist ihm das auch egal.
Die Verteidigung bekundet ihre Irritation dass keine Kommunikation stattfindet. Das sei auch im ersten (geplatzten) Prozessanlauf so gewesen. Hier habe das zu einem Befangenheitsantrag geführt der abgelehnt wurde, es sei ja alles nicht so gemeint gewesen.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass es dem Gericht vor allem darum geht, dass es nicht zu inhaltlichen Entscheidungen kommt und unbedingt seinen Plan durchzuziehen will nun ein Video zu gucken. Unabhängig davon ob es Sinn macht oder nicht.
Dennoch wird mit einem einstündigen Video begonnen von dem aufgrund der Zeit lediglich 11 Minuten und 33 Sekunden gesichtet werden können. Auch in dieser kurzen Zeit sind schon einige Zeitsprünge zu sehen. Völlig unklar bleiben die Fragen woher das Video stammt, ob und warum es wie bearbeitet wurde. Der Richter gibt zum Ende des Verhandlungstages an er wolle zu Beginn alle Videos gucken und dann im Rahmen der Zeug_innenvernehmung einige Teile nochmal.