Zu Beginn des Prozesstages wird bekannt gegeben, dass Olli sich in Therapie befindet und die Haft außer Verzug gesetzt ist. Das bedeutet auch, dass sein Verfahren nicht wieder hinzu gezogen wird.
Für den nächsten Prozesstag hat Richter Halbach drei Zeugen vorgeladen, dann wolle man schauen wo man steht, v.a. auch in Bezug auf den Vorwurf des „versuchten Totschlags“.
Der Zeuge Jörg Posselt, 35 Jahre kommt. Halbach beginnt die Befragung ob er sich erinnere und ob er die Berichte gelesen habe. Posselt gibt an, dass er sich erinnert und selbstverständlich seine Niederschriften und alles was damit zusammenhängt gelesen hat: das wäre die Stellungnahme, Bilder aus der Presse im Internet, und seine Zeugenaussage. Außerdem sei er gestern (am 3.3.2016) vor Ort gewesen.
Er sei am 27.8.2014 in der Breite Straße 116 zunächst als Zug DE343, 3. Gruppe, zum Haus gefahren. Dort konnte er wahrnehmen wie dunkel gekleidete Personen Böller aus dem Haus warfen, das war am späten Nachmittag/Abend. Er hat den Eingang gesichert mit Ritter, Koch, Staak und Lehmann. Für die Türöffnung war Technik nötig, zumal die verbarrikadiert war. Ein Kollege kam mit der Motorsäge. Anfangs kamen Böller jeder Kategorie, gefühlt nur „Polenböller“, recht nah. Es wurde auch Farbe runter geschüttet, rot und grün. Sie standen so: Koch & Staak linke Türseite, nachfolgend Lehmann und er selbst. Er habe eher nach Oben geguckt um zu warnen. Je mehr Polizei kam desto mehr Bewurf gab es. Dann kam ein zerschlagenes Waschbecken und Flüssigkeit die er als Nieselregen beschreibt, die sei bedrohlich gewesen. Außerdem habe es jegliche Art von Rauchbomben gegeben, ein Feuerlöscher wurde entleert, eine Kloschüssel von zwei Personen geworfen. Nochmal zum Waschbecken, das kam in Teilen, etwas davon splitterte ab und traf eine Kollegin. Hinter ihm, das habe er genau mitbekommen. Wie gesagt der Kollege sägte mit der Motorsäge und hatte mehrmals die Kette gewechselt, wegen der Atmung und der Farbe haben sie sich zurückgezogen und gewartet bis die Säge wieder fertig war. Dann sind sie zurück zum Eingang. Besonders bedrohlich sei eine Gaskartusche die angezündet wurde und etwa zwei Meter neben ihnen landete gewesen. Gerade weil Gasexplosionen gefährlich sind hatte er Angst um sein Leben. Es flog auch ein Nachtspeicherofen, er konnte gar nicht alles wahrnehmen. Irgendwann sind sie bei der 116 nicht weitergekommen wegen der starken Barrikaden und sind dann zur Tür der 114. Über die Fenster rein gehen haben sie verworfen. Irgendwann gelang es die Tür zu öffnen, sie haben sich dann gesammelt und die Eindrücke mit den Kollegen ausgetauscht.
Halbach fragt nach Zeitpunkt und woher sie kamen. Posselt gibt an früher Abend und es wurde bald dunkel und sie kamen vom Fischmarkt. Halbach fragt ob Posselts Job das Sichern war und ob er mit oder ohne die Technik losgegangen ist. Posselt bestätigt, weiß aber nicht mehr wer los gegangen ist. Halbach fragt nach der Kloschüssel. Wann genau die geflogen sein soll weiß Posselt nicht mehr, in seinem Bericht hat er geschrieben erst das Waschbecken, dann die Kloschüssel. Er erinnert nicht ob er die komplette Montur anhatte, sein Schild war zu dem Zeitpunkt aber schon verschmutzt.
Halbach fragt was das für ein Waschbecken war. Posselt gibt an es sei weiß und aus Keramik, auf dem Fenstersims sei es in Einzelteile zerbrochen worden, die dann runter geworfen wurden. Das habe er gesehen und die Kollegen gewarnt so lange die Sicht gut war. Er habe durch Zuruf gewarnt nicht durch Funk. In erster Linie war sein Auftrag mit dem Schild zu schützen.
Die Waschbeckenteile waren klein und hätten gut mit dem Schild abgewehrt werden können. Er habe gesehen, dass was runterfiel und die Kollegin Kilz getroffen habe, diese habe einen Schmerzensschrei von sich gegeben. Einen direkten Blick hatte er nicht zu ihr.
Er glaubt sie sei dann gegangen. Nach dem Einsatz haben sie natürlich miteinander gesprochen und er habe ihr gesagt dass er bestätigen könne, dass es ein Splitter war.
Die Person die die Farbe aus den Eimern geschüttet habe er gut gesehen, aber alle waren vermummt und dunkel gekleidet. Eine Person habe aber ein schmaleres und eine ein breiteres Gesicht gehabt. Ob die Person mit der Kloschüssel und die mit dem Waschbecken die gleiche war weiß er nicht.
Die Böller hätten mit Sicherheit keine Zulassung gehabt, trotz Hörschutz ist er zusammengezuckt. Nach dem Einsatz war er beim normalen Hausarzt wegen den Ohren und dem Staub aus den Feuerlöschern, es war aber alles gut. Er war wegen dem Löscher auch beim Lungenarzt und der hat gesagt es ist nicht so gut aber keine bleibenden Schäden. Krank geschrieben war er seiner Erinnerung nach nicht.
Halbach fragt in der Folge die einzelnen Gegenstände ab. Die Kloschüssel kann Posselt nicht genau zuordnen. Den Nachtspeicherofen hat er nicht gesehen. Den Gegenstand hat er erst danach wahrgenommen, wo kann er nicht erinnern. Türblätter hat er nicht gesehen. Flüssigkeit sei Nebelig und bedrohlich gewesen, hätte alles sein können. Gaskartusche fand er bedrohlich, die war hell und er glaubt sie habe gebrannt, sein Eindruck war da zündele noch etwas.
Im Bericht habe er nicht genau differenziert was er gesehen habe und was nicht, er habe den noch an dem Abend geschrieben weil dann die Erinnerung am frischesten sei. Er weiß nicht wo, normal wäre im nächsten PK, aber weiß er nicht mehr. Kontakt zur Mordkommission oder dem Staatsschutz habe er keinen direkten gehabt, aber irgendwer anders, der Dienstleiter.
Bei der Vernehmung habe er auf Nachfrage geantwortet und es sei zeitgleich am Computer niedergeschrieben worden, er habe den Bericht dann nach Nachfrage erweitert.
Der Beisitzer fragt nach allen möglichen Gegenständen zu denen Posselt nichts sagen kann, das Waschbeckenteil sei aber vom Boden wieder hoch gesprungen.
Nun fragt die Verteidigung.
Es stellt sich heraus, dass Posselt Bilder von Bild-Online geschaut hat zur Vorbereitung, aus dem Einsatzbericht, Bilder vom Personenzusammenhang Besetzung und auch Bilder aus dem Abendblatt und von früheren Besetzungen. Er habe eingegeben „Besetzung Breite Str.“.
Auch Bilder vom Bürgersteig seien dabei gewesen, Videos habe er nicht gesehen und welche Gegenstände er gesehen habe kann er nicht sagen.
Er habe sich durch Aktenlage vorbereitet und versucht zu erinnern, nur seinen Bericht und seine Vernehmung. Die wurden ihm in seine Ablage in der Wache gelegt, wie genau das kam weiß er nicht. Herr Bozurski habe den Aufbau des Gerichtssaals dargestellt und die Charaktereigenschaften der Personen mittels eines Enneagram beschrieben (alle bekommen Nummern zugeordnet). Er habe das kurz nach seiner Vernehmung im Lehrsaal der Dienststelle etwa 20 Personen etwa 20 Minuten vorgetragen. Den Termin habe er wahrgenommen um sich nicht verrückt zu machen, wer welche Nummer bekommen habe könne er nicht mehr sagen.
Auch eine Juristin habe sie vorbereitet wie man sich vor Gericht verhält, er weiß nicht wo sie herkam ob vom LKA oder wo anders, sie sei Blond gewesen mit Pferdeschwanz. Der Vortrag ging eine halbe Stunde etwa. Er weiß nicht mehr genau wann das war, viele der Sachen waren bekannt. Viele hätten teilgenommen. Das waren die einzigen zwei Vorbereitungsveranstaltungen.
Es sei organisiert worden dass sie zum Gericht gefahren werden damit sie unbelastet ankommen. Direkt an dem Abend habe er sich mit Koch, Staak, Ritter, Lehmann und Kilz unterhalten, er glaubt vor dem Bericht schreiben.
Ob Frau Kilz gesagt habe dass sie getroffen wurde erinnere er nicht mehr genau. Er sagt er habe vor Frau Kilz gestanden, sie schreibt aber in ihrem Bericht dass er hinter ihr gestanden habe. Dazu sagt Posselt, das sei ja das gleiche – irgendwo seitlich. Er glaubt nun seitlich leicht rechts oder hinter ihm.
Dass es ein Waschbeckenteil gewesen ist hat er geschlussfolgert. Er kann es nicht konkretisieren aber auf jeden Fall hat sie das Teil abbekommen. Der Teil Waschbecken nimmt viel Platz in seinem Bericht ein, möglicherweise wurde danach in der Vernehmung gefragt das erinnert er nicht.
Die Verteidigung fragt Posselt, ob er das Waschbecken (von dessen Teil angeblich Kilz getroffen wurde) in seinem Zusatzbericht erwähnt hat. Das hat er nicht.
Auch die „Schmerzensäußerung“ von Kilz findet in dem Bericht keine Erwähnung.
Nochmalige Nachfrage der Verteidigung, wo Posselts Einheit vor dem Einsatz „Breite Straße“ eingesetzt war. Das erinnert Posselt nicht. Auch nicht, ob er dort nur im Wagen saß oder auch mal ausgestiegen ist. Er will aber eine „konkrete Erinnerung“ daran haben, aus „Richtung Fischmarkt“ gekommen zu sein.
Die Verteidigung möchte wissen, auf welcher Informationsgrundlage sich für die Ausstattung der Einsatzkräfte entschieden wurde.
Posselt antwortet, man hätte im Vorfeld gewusst, was auf sie zukommen würde und dass für ihre Sicherheit angeblich Gefahr bestünde.
Deshalb kam es zur Ausstattung mit „Körperschutz etc“. Ob er auch einen Oberkörperschutz getragen hat, erinnert er nicht.
Im späteren Verlauf der Befragung wird Posselt mit der Aussage des Beamten Staak konfrontiert, nach der man die Information gehabt hätte, im Haus seien keine Personen mehr.
Darauf bemerkt Posselt, man hätte von einer Hausbesetzung gehört und es hätte ja gleich Bewurf durch Böller gegeben.
Es geht nochmal um die Kloschüssel. Wo Posselt gestanden haben will, als die angeblich geflogen kam. Das kann er nicht sagen.
Ob es kurz nach dem Einsatz Gespräche zwischen den Kolleg_innen zur Kloschüssel gegeben hätte?
Posselt sagt, man sei allgemein über die Gegenstände „schockiert“ gewesen. Dass dabei auch die Kloschüssel erwähnt wurde schließt er nicht aus.
Auf nochmalige Nachfrage, ob ein_e Kolleg_in gesagt habe, die Kloschüssel gesehen zu haben, erzählt Posselt, dass jeder „etwas zum Besten“ gab, alle seien sehr aufgeregt gewesen.
Ob er selbst in diesem Gespräch die Kloschüssel erwähnt hat, weiß er nicht. Ungefragt teilt Posselt nochmal mit, dass ihn aber die Gaskartusche „sehr schockiert“ habe.
Er hätte die Gegenstände im Nachhinein auf dem Boden liegen sehen. Auch die Kloschüssel – bzw „Teile was-auch-immer…“
Ob er denn Gegenstände auf dem Gehweg als Kloschüssel erkannt habe?
Nein, hat er nicht. Aber der Nachtspeicherofen sei ihm besonders aufgefallen.
Die Verteidigung hält Posselt vor, dass auf dem ziemlich detaillierten Bildmaterial der Örtlichkeit nichts von einer Kloschüssel zu sehen sei. Der will sich aber sicher sein gesehen zu haben, dass an einem Fenster mit einer Kloschüssel „hantiert“ wurde.
Posselt wird gefragt, ob er denn auch gesehen habe, dass diese auch geworfen wurde. Das hat er nicht. Er will aber den Aufschlag gehört haben. Von wo denn das Geräusch gekommen sei?
Es sei aus dem „vorderen Türbereich“ gekommen – leicht links der Hausnummer 116.
Ob er etwas fliegen gesehen habe in dieser Situation. Nein. – Nur die Gaskartusche.
Jetzt geht es nochmal um die Böller. Woran es Posselt festmache, dass es sich um sog. „Polenböller“ – also um nicht in D. zugelassene Böller gehandelt habe – ob er das an der Lautstärke festmache.
Posselt räumt ein, nicht Sachkundig zu sein. Er lege sich aber fest, dass die eine Druckwelle abgeben, sehr heftig explodieren und eben sehr, sehr laut sind.
Die Verteidigung will wissen, welche Erfahrungen denn Posselt mit sog. „Polenböllern“ habe – wie er also zu seiner Einschätzung kommt.
Er will es anhand der Lautstärke, des Drucks und der Wucht einschätzen
können.
Seine Erfahrungen mit dem, was er als „Polenböller“ bezeichnet, beruhen auf einer polizeiinternen Fortbildung „Wirkung durch nicht zugelassene Sprengmittel“ durch die Entschärfer der Dienststelle für Sprengmittel.
Die sei so abgelaufen, dass hinter einem Erdwall mehrere Böller gezündet wurden. Danach haben sich die Teilnehmer_innen die Wirkung angeguckt.
Auf Nachfrage gibt er an, dass der Erdwall so hoch gewesen sei, dass man nix sehen konnte. Auch der Schall wurde abgelenkt. Im Nachhinein hat man dann halt das Ergebnis der Sprengwirkung bestaunt.
An der Fortbildung hat sein ganzer Zug teilgenommen. Das war irgendwann
im letzten Jahr.
Auf Nachfrage sagt Posselt, sie hätte keinen Bezug zum Verfahren gehabt. Zur Zusammensetzung der „Polenböller“ kann er sich nicht „auf der Grundlage von Sachverstand“ erinnern.
Es geht nochmal um Posselts Einsatzbericht. Verteidigung fragt, wo er den geschrieben hat.
Das weiß er nicht mehr.
Wer denn vor Ort Kontakt zum LKA gehabt hätte? Das waren seine Vorgesetzten.
War das LKA zum Zeitpunkt der Berichtfertigung mit auf der Wache? Das
weiß er nicht.
Die Verteidigung fragt, ob Posselt wisse, wie das Aktenzeichen auf den
Bericht kommt.
Das kann er nicht beantworten.
Es wird nochmal der Adhäsionsantrag thematisiert.
Wie kam es dazu?
Posselt sagt, um zivilrechtliche Ansprüche geltend machen zu können.
Auf Nachfrage der Verteidigung gibt er an, dass es nicht sein erster Adhäsionsantrag war. Wie viele genau kann er nicht sagen. Auch nicht ob es 3 bis 5 waren oder eher 20. Scheint alles möglich zu sein.
Ob denn schonmal ein Antrag erfolgreich gewesen sei? Nein. Kein einziger. Ob es für ihn mal aufgrund eines erfolglosen Adhäsionsantrages zu finanziellen Nachteilen gekommen wäre? Nein, auch das wäre nie der Fall gewesen.
Die Verteidigung möchte wissen, ob er im aktuellen Fall selbst darauf gekommen ist, einen Antrag zu stellen.
Sein Zugführer habe ihn auf die Möglichkeit hingewiesen. Wo dieses Gespräch stattfand, erinnert er nicht mehr. Auch nicht, wie viel Zeit bis dahin seit dem Einsatz vergangen ist.
Wie er den Antrag erstellt hätte? Das weiß Posselt nicht genau, es gäbe einen Vordruck.
Ob er mit Kolleg_innen über die Anträge gesprochen habe? Vielleicht „lapidar auf dem Gang“, es sei jeder selbst überlassen, manche wollten über die eigene Haftpflicht gehen.
Die Verteidigung fragt, ob Posselt wusste, dass andere Kolleg_innen Anträge gestellt haben? Zunächst hätte er das nicht gewusst, das hätte er erst bei Gesprächen zum Verhandlungstermin erfahren.
Die Rücknahme der Adhäsionsanträge sei so gelaufen, dass ein Kollege diese vorformuliert und den Kolleg_innen zugesandt habe. Diese hätten die Formulierung dann verwendet. Die Rücknahmen wurden dann „geschlossen ans Gericht gefaxt.“
Posselt wird von der Verteidigung nochmal zur Prozessvorbereitung befragt. Warum er seinen Zusatzbericht nochmal gelesen hätte.
Posselt erklärt, es sei die „Pflicht eines jeden Polizeibeamten, sich gut auf einen Hauptverhandlungstermin vorzubereiten“.
Ob denn der Zusatzbericht in der Ablage der Dienststelle aufbewahrt würde?
Posselt meint, das könnte sein, wurde ihm vielleicht auch von Kolleg_in zugeschickt.Wie er an sein Vernehmungsprotokoll gekommen ist? Posselt will den Vernehmungsbeamten auf der Dienststelle angerufen und nach dem Protokoll gefragt haben. Welche Nummer er gewählt habe, ob Zentrale oder Durchwahl, das kann er nicht beantworten. Konkret habe er nach dem „Protokoll zur Breiten-Straße“ gefragt. Das kam dann per Mail als angehängtes PDF bei ihm an. Den Absender erinnere er nicht.
Er wird gefragt, ob es in dem Fall weitere Mails gegeben hätte, was Posselt verneint.
Auch nach mehreren Nachfragen, ob er sich da sicher sei, bleibt er bei dieser Aussage.
Die Verteidigung hält ihm eine Mail vor, die von Fallführer des Staatsschutzes Richters an zwölf Beamt_innen geschickt wurde – unter Anderem auch an Posselt.
In der Mail schreibt Richters formlos, er hätte mitbekommen, dass die Empfänger_innen beim Einsatz Verletzungen erlitten hätten und bittet um die Zusendungen von Schweigepflichtsentbindungen.
An diese Mail will sich Posselt nicht erinnern.
In der Fortbildung der „Dienstelle J“ durch die Juristin habe Posselt ja u. A. erfahren, wer „Herr im Verfahren“ sei.
Die Verteidigung erkundigt sich, ob Posselt auch wisse, wer „Herr“ im Ermittlungsverfahren sei.
Hier interveniert die StA.
Nach kurzem Disput erklärt die Verteidigung in Abwesenheit des Zeugen Posselt den Hintergrund der Frage.
Es ginge darum herauszufinden, ob Posselt wisse, dass im Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft Herrin des Verfahrens sei und ob er Aktenbestandteile dort angefragt habe, „um sich zu erinnern“ Für Halbach ist das ein „normaler Ablauf“, Akten würden auf der Diensstelle geführt und allgemein sollte doch die Verteidigung berücksichtigen, dass Posselt offensichtlich nicht sehr „gerichtserfahren“ sei.
Auf Nachfrage gibt dieser kurz darauf aber an, schon „10 -20 mal“ als Zeuge vor Gericht ausgesagt zu haben. Er hätte sich „im Prinzip“ auch immer auf die gleiche Weise vorbereitet.
Warum hat sich Posselt den damaligen Einsatzort nochmal zur Vorbereitung angeschaut?
Das hätte er Aufgrund einer früheren Erfahrung vor Gericht so gemacht. Damals seien ihm die Worte im Mund umgedreht worden. In dem früheren Verfahren sei es um Landfriedensbruch mit Steinwürfen gegangen.
Er wird nochmal zu der Flüssigkeit gefragt, die herabgeregnet sein soll. Warum ihm das solche Angst gemacht hätte – was hat er denn schlimmes gehört, was da so „zusammengemischt“ werden soll. Aus der Presse und aus eigener Erfahrung wüsste er, dass es in Berlin schonmal Bewurf mit Mollis gab, auch Buttersäure usw…
Posselt wird mit einem Widerspruch konfrontiert:
Vor Gericht hat er gesagt, es seien „fast nur Polenböller“ geflogen. In der Vernehmung nach dem Einsatz spricht er von „Böller verschiedender Machart, darunter auch Polenböller.“
Posselt sagt, es seien „überdurchschnittlich viele Polenböller gewesen, bzw sehr, sehr laute.“
Ob vor der Erstürmung des Hauses versucht wurde, mit den Menschen im Haus zu kommunizieren, etwa über Lautsprecher, kann er nicht sagen.
Posselt gibt an, kurz nach dem Einsatz mit Kilz gesprochen zu haben, hierbei wurde auch ihre ang. Verletzung thematisiert. Darauf hat er einen Zusammenhang zwischen Verletzung und Waschbeckenteil hergestellt.
Er hat in dem Gespräch Kilz gegenüber den Treffer bestätigt. Ob er das begründet hat – hat er es gesehen, nur vermutet?
Posselt will den Treffer gesehen haben. Kilz schreibt in ihrem Bericht aber, ein Kollege hätte die Teile fliegen sehen, aber nicht den Treffer.
Ob er über das Ausmaß der Verletzung informiert gewesen sei?
Dass es zu einer Verletzung kam, sei seine Schlussfolgerung gewesen.
Warum der angebliche Treffer bei Kilz genauso wenig im Bericht erwähnt wird wie „Schmerzensäußerung“? Fand er unwichtig.
Nach Entlassung des Zeugen Posselt gibt die Verteidigung Erklärungen ab.
Zu Posselts „Sachkunde“ zum Thema Böller:
Seine Beurteilung beruht auf der Pyrotechnischen Fortbildung. Dabei hat er nichts gesehen und kaum etwas gehört, wegen den Erdwall. Das ist als Beweismittel also nicht tauglich.
Fragen zur inhaltlichen Begleitung der Zeug_innen („Fortbildungen, Berichte, Adhäsionsanträge“) werden nicht wahrheitsgemäß oder erst gegen Widerstände beantwortet.
Bei ersten Vernehmungen wird das komplett abgestritten, mittlerweile werden Sachverhalte, die durch Befragungen „ans Tageslicht“ gekommen sind, zum Teil sogar ohne Nachfrage geliefert.
Das deutet auf Absprache hin.
Thema Waschbeckenteil, von dem Kilz angeblich getroffen wurde. Ein Zeuge sagte aus, für Kilz einen RTW bestellt zu haben wegen eines Schocks.
Eine Verletzung wird nicht erwähnt.
Zeuge Oldenbusch spricht von einem Treffer durch eine volle Glasflasche. Kilz selbst spricht von einem Treffer durch ein Stück, das „von vorne kam“. Außerdem gibt es Widersprüche im Bezug auf die zeitliche Abfolge. Auch die Fallrichtung des Teils kann laut Video nicht stimmen. Demnach kann es auch nicht sein, dass Posselt ein Waschbeckenteil auf sein Schild bekam, er stand dafür zu weit hinten.
Zu diesem Thema möchte sich Halbach äußern, nachdem die Zeug_innen gehört wurden, die auf der Straße waren.
Auch seine Aussage dazu, in welchem Winkel die Schildleute zur Hauswand standen, widerspricht den Aussagen anderer Beamt_innen.
Erneute wird der „Fallführer“ des Staatsschutz (LKA7) Stefan Richters, 35jahre alt vernommen.
Halbach leitet ein, dass aufgrund seiner Gegenvorstellung die Aussagegenehmigung erweitert wurde auf die Fragen: wurde weitere DNA gefunden? Konnte die nicht zuordnenbare DNA Nils K. zugeordnet werden? Und Fragen zur Absperrung des Hauses.
Richters antwortet, dass über die 5 Beschuldigten hinaus auch Olli DNA zugeordnet werden konnte, zu Nils werde er nichts sagen, weil das ein anderes Verfahren sei und eine weitere Person sei nicht identifiziert worden.
Die Verteidigung wirft ein: Die Frage ist, ob weitere DNA gefunden wurde, nicht ob sie zugeordnet werden konnte. Halbach konkretisiert: gibt es Hinweise auf weitere?
Richters weicht aus (wie er es auch im Weiteren immer wieder tut): es seien eine Vielzahl von Gegenständen sichergestellt worden, da wird wohl DNA dran sein, z.B. Trinkflaschen und Kippen, diese Gegenstände sind nicht voll untersucht worden.
Halbach versucht es noch mal: Man geht hin, findet viele Gegenstände, die nicht alle untersucht werden. Ein Teil z.B. Maskierungsgegenstände hinter dem Haus wurde DNA untersucht. Wurde nur Material hinter dem Haus untersucht oder auch anderes?
Richters ergänzt, ein Bohrer im Haus sei untersucht worden, das Ergebnis habe er nicht im Kopf. Ob nur der Bohrer aus dem Haus untersucht wurde weiß er nicht. Auf Halbachs Frage, ob DNA hinter dem Haus gefunden wurde, die nicht den Angeklagten, nicht Olli und nicht Nils betreffen weicht er aus: dies müsse er in der Schwebe lassen, wegen des Verfahrens gegen Nils. Auf Weiteres Nachfragen sagt er, es habe keine DNA-Spur einer achten Person zugeordnet werden können und es gibt innerhalb dieses Verfahrens eine nicht zugeordnete Spur. Inwieweit diese auf Nils zuträfe könne er nicht sagen. Er könne aber sagen, diese könne keiner achten Person zugeordnet werden.
Halbach fragt ob und wann es Absperrungen ums Haus gab. Was Richters damit beantwortet, er wisse nicht wann, wo wie eine Absperrung bestanden hat.
Die Verteidigung fragt nun, sind DNA-Spuren über die Angeklagten, Olli und Nils hinaus gefunden worden bzw. gibt es Spuren die nicht einer Person zugeordnet werden konnte? Richters sagt, es sind 7 zuordnenbare Spuren gefunden worden und eine nicht zuordnenbare, ob die zu Nils gehöre könne er nicht sagen. Auf nachfrage bestätigt er schließlich, dass nach dem was sie untersucht haben nur eine DNA-Spur offen ist.
Wie priorisiert wurde und so die Auswahl der untersuchten Gegenstände zustande kam fasst er so zusammen: wir haben uns unterhalten, welche am ehesten DNA versprechen & die Liste ist abgearbeitet worden.
Nachdem die Verteidigung Richters zurechtweist, dass eine sorgfältige Vorbereitung, insbesondere wenn die Fragen vorher klar sind, zu erwarten ist und er dann z.B. nicht „im Kopf hat“ was an dem Bohrer gefunden wurde, fragt sie in welchem Umfang Zigarettenkippen gefunden wurden. Antwortet Richters, das könne er nicht sagen, es gäbe über 300 Aservate. Ob es sein könnte, dass es Hinweise auf mehr Leute gibt erwidert er wiederholt mit der Gegenfrage, wie er das beantworten solle.
Halbach ist genervt und zieht nun seinerseits den Schluss daraus „ das der Staatschutz mauert und Hinweise hat“
Auch auf den Vorhalt aus der Akte (dem Sonderband zu Nils) seitens der Verteidigung, in der es heißt, dass DNA Fingerspuren vorliegen, sowie ein Handschuh die nicht zugeordnet werden konnten, reagiert Richters nicht.
Halbach setzt eine 10 minütige Pause fest.
Nach der Pause fragt die Verteidigung Richters, ob er mit Mitgliedern des Gerichts gesprochen hat – zum Thema Öffentlichkeit.
Dies bestätigt er: ja, er habe in der Pause gefragt, ob es im Strafrecht ein In-Camera-Verfahren (im Verwaltungsrecht, nur die Gerichtskammer ohne Öffentlichkeit, Anwält_innen und andere Beteildigte) gibt, weil er öfter in Zwangslagen kommt und ein solches Verfahren es ihm leichter gemacht hätte.
Die Frage, ob es in seiner Hand läge welche Aussagen er tätig, verneint er, die Aussagegenehmigung werde ihm erteilt. Ob sein Vorgesetzter (auf den er verweist) die Antwort kenne, die er geben würde, bestätigt Richters.
Die Verteidigung fragt weiter: ist im Verfahren gegen Nils TKÜ eingesetzt worden Richters zieht sich auf seine Aussagegenehmigung zurück. Hat die TKÜ gegen Nils Erkenntnisse auf die Besetzung ergeben?
Halbach unterbricht und trägt nun seinerseits aus der Sachakte zu Nils? (die allen vorliegt) vor: man hat über TKÜ den Verbleib von Nils rausgefunden, von Nils ist eine DNA-Speichelprobe genommen worden, wobei rauskam, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass Nils als Spurenverursacher in Frage kommt.
Die Verteidigung fasst noch mal zusammen: die Logig war, es gibt eine Spur, die nicht die sechs sind, ob Nils zuzuordnen sei kann er nicht sagen, aber es gäbe keine achte Person… Halbach ergänzt: „eine offne Spur nicht bekannter Person und Sie wissen nicht von wem die ist?“ Was Richters bestätigt.
Die Verteidigung stellt klar: keine Aussagegenehmigung zu haben mit einer künstlichen Verfahrenstrennung und u.a. darin auch gegen unsere Mandanten weiter zu ermitteln, denn in der TKÜ Begründung ist dies der Grund, das sei ja so nicht gedacht. Aber gegen Nils sei ja auch kein versuchter Tötungsvorwurf dabei, aber das macht sich gut um von anderen Stellen Daten abzufragen, gell Herr Richters? – und möchte die Verteidigung wissen, ob die TKÜ irgendwas erbracht hat.
Richters behauptet, da es laufendes anderes Verfahren beträft müsse die Staatsanwaltschaft und nicht er antworten.
Erneut betont die Verteidigung, dass in der Sachakte zu Nils steht, dass Erkenntnisse zu diesem Verfahren gewonnen werden sollen es sei „zu erwaten, das Nils auf dem laufenden des Verfahrens gehalten werde und seine mögliche Tatbeteiligung dabei zur Sprache kommen könne“ d.h. es ging um dieses Verfahren. – Auf die Frage, ob gegen Nils weiter ermittelt wird, zeiht sich Richters erneut auf die Aussagegenehmigung zurück. Welches Ergebnis ausgewertete DNA-Spuren nun erbracht haben beantwortet Richters damit, dass er über das von Halbach vorgetragene hinaus nichts.
Nachdem Kenntnistand von Patkowski (Staatsanwalt) gefragt sagt er darüber nichts zu wissen. Halbach wirft ein, er müsse wissen, ob das Verfahren gegen Nils noch anhängig sei, denn dieser käme auch als Zeuge in betracht.
Der Staatsanwalt behauptet dazu, dass § 55 (Zeugenaussage Verweigerungsrecht wegen Selbstbelastung) seiner Auffassung nach ohnehin nicht zuträfe. – Dem widerspricht die Verteidigung.
Auf die Frage der Verteidigung, wie es kommt, dass in der TKÜ Begründung ein Kontakt zwischen den Beschuldigten und Nils angenommen wird, wenn ein Jahr zuvor in diesem Verfahren noch festegestellt wurde, dass sie nicht in Kontakt stehen, verweist Richters erneut auf den Staatsanwalt.
Halbach ist entnervt, sagt dass dazu Aussagen gemacht werden müssen, wenn sich da immer auf die Aussagegenehmigung zurückgezogen würde, dann müsse man das jetzt so hinnehmen. Er will den Zeuge entlassen.
Die Verteidigung betont noch mal, das wenn der Bezug zum Verfahren da ist, müssen die Rechtsanwält_innen Kenntnis davon bekommen und darf nicht vorenthalten werden.
Sie beantragt Akteneinsicht in die Akte Nils betreffend, sowie den Zeuge Richters nicht zu entlassen.
Halbach bleibt dabei, auch das Gericht sei der Meinung, das es so nicht geht, er habe ja auch 2x monstriert und damit ist dann gut.
Der Staatsanwalt zeigt sich entrüstet, es müsse doch weiter ermittelt werden, dies sei der verfassungsgemäße Auftrag und es ginge nicht das als Affentanz zu bezeichnen. Zudem sei es nicht möglich mehr darüber zu sagen z.B. wegen „Geheimnisverrat“ oder „Datenschutz“.
Halbach erwidert, das es stimme, das weiter ermittelt werden dürfe, aber es stünde auf einem anderen Blatt, da es so für die Wahrheitsfindung schwierig ist.
Die Kammer zieht sich zurück.
Halbach verkündet den Beschluss: Der Zeuge wird entlassen, dies sei rechtsmäßig, soweit weitere Fragen aufkämen würde Kammer ihn erneut laden. Desweiteren werde die Akte im aktuellen Sachstand erneut beigezogen, wobei noch etwas gewartet wird und dann von Zeit zu Zeit eine Aktualisierung stattfindet.
Am 11.4. ist auf 9h Baden und 13:30h Dose geladen.
Für den 18.4. vorrausichtlich Klinnert.
Der Staatsanwalt merkt an, er sei am 18.4. nicht da und bittet nicht an dem Tag die rechtliche Einschätzung der Kammer zu machen. – was Halbach so beantwortet, dass dies eh nicht für den 18. vorgesehen sei sondern am 27.4.