Bei Indymedia findet sich eine Stellungnahme zur Einlassung im Breite Straße Verfahren die wir hier Dokumentieren. Das Original findet sich hier: https://linksunten.indymedia.org/de/node/182691
Am 22.Prozesstag hat einer der Angeklagten eine Einlassung gemacht, in der er ein Geständnis abgelegt und zugegeben hat im Haus gewesen zu sein und Gegenstände auf die Polizisten geworfen zu haben. Auch wenn wir uns die vermutliche subjektive Seite dieser Entscheidung erklären können, halten wir die Einlassung für fatal.
Taktisch gedacht soll die Aussage vermutlich die Verurteilungswahrscheinlichkeit senken und eine mögliche Knaststrafe verhindern.
Trotzdem setzt die Einlassung ein politisches Zeichen, dass sowohl im laufenden Prozess als auch in weiteren Verfahren Konsequenzen haben wird. Schon direkt nach der Einlassung hat der Richter versucht, auf die übrigen 4 Beschuldigten Druck aufzubauen, ebenfalls Aussagen zu machen. Die 4 weigern sich aber weiterhin, das Spiel des Gerichtes mitzuspielen.
Also erste Konsequenz ist, dass die Gruppe bewusst gespalten worden ist. Inwieweit die Beschuldigten den Prozess kollektiv vorbereitet haben, wissen wir nicht. Aber bis jetzt sind sie durch ihr konsequentes Schweigen als Einheit aufgetreten. Jetzt gibt es einen geständigen kooperativen Angeklagten und den Rest der weiterhin schweigt. In den Augen des Gerichts ist das die ganz simple Aufteilung in gut und böse. Steht zu befürchten, dass möglicherweise eine Knaststrafe verhindert worden ist, aber das Verurteilungsinteresse wegen der Nichtkooperation gegenüber den anderen 4 gestiegen ist.
Auch in kommenden Verfahren werden sich Gerichte subjektiv und objektiv auf diese Entwicklung beziehen. Droht der Justizapparat nur stark genug, dann werden Angeklagte schon mitspielen, um ihren Kopf aus der vermeintlichen Schlinge zu ziehen. Wenn sie nicht mitspielen, dann wird erst Recht verurteilt. Das ist das Signal, dass jetzt gesendet wird und es wird für Antirepressionsstrukturen viel Arbeit bedeuten, diesen Schaden in linken Strukturen zu begrenzen.
Eine Prozessstrategie, die nur zum Ziel hat um jeden Preis eine individuelle Verurteilung zu verhindern und dabei politische Zielsetzungen ignoriert und kollektive Strukturen untergräbt, hat in politischen Prozessen keinen Raum. Politische Prozesse sind keine Privatangelegenheit. Prozessstrategien und Öffentlichkeitsarbeit sind auch Aufgaben von politischen Zusammenhängen. Beschuldigte, die sich einzig um ihre Zukunft sorgen und dafür kollektive Diskussionen negieren, stellen sich außerhalb jeder politischer Dimension.
Obendrein ist die Einlassung ein Schlag ins Gesicht all derer, die in Prozessen geschwiegen und nicht kooperiert haben und dafür verurteilt wurden oder eingefahren sind. Es ist notwendig immer wieder zu betonen, dass Leute sich im Vorfeld Gedanken über Repression und Konsequenzen machen müssen. Wenn die angedrohten Konsequenzen wie Knast nicht aushaltbar erscheinen, ist es nicht sinnvoll, sich an Aktionen zu beteiligen, die genau das bedeuten können.
Unsere Strukturen sollten von Kollektivität und Solidarität leben. Nicht erst vor Gericht und vor allem sollten Kollektivität und Solidarität nicht im Angesicht des Richters aufhören.
Niemand fährt gerne ein, erträgt gerne eine Bewährung oder bezahlt gerne eine saftige Geldstrafe. Aber in dem Moment, in dem wir den Staat herausfordern, wird er mit seinen Mitteln zurückschlagen. Eine individuelle Strafe ist immer nur ein Teil von Repression. Jede mögliche Verurteilung hat eine politische Dimension, die in der Zukunft auf andere wirken soll. Ein individueller Umgang mit dieser Bedrohung, orientiert an individuellen Bedürfnissen und Ängsten, untergräbt einen solidarischen und kollektiven Umgang miteinander.
Wir vermissen eine Erklärung, wie es zu dieser Einlassung gekommen ist. War sie überlegt und in Strukturen diskutiert? War es eine Gruppenentscheidung? Was war Sinn und Zweck der Übung? Was denkt der geständige Angeklagte über die Konsequenzen?
Zeugin rudert zurück
Am selben Prozesstag war im Gericht eine Zeugin aus dem ehemaligen Umfeld der Beschuldigten geladen, die mehrere Beschuldigte in einer ersten Vernehmung durch den Staatsschutz schwer belastet hatte.
Auch wenn sie jetzt vor Gericht Schadensbegrenzung betrieben und die Aussagen aus dem Verhör relativiert oder zurückgenommen hat, ist der angerichtete Schaden durch die Aussagen enorm. Ihre Aussagen haben zu monatelanger U-Haft geführt, sie hat intern zu großer Verunsicherung und Misstrauen untereinander beigetragen und während der ganzen Zeit bis zu ihrer Aussage jetzt hat sie sich in keiner Weise verhalten. Auch wenn sie anscheinend eher einer Partyfraktion angehört, hat sie sich ins Aus geschossen. Vertrauen wiederherstellen hätte gleich nach ihrer Vernehmung vielleicht noch geklappt. Nach fast zwei Jahren, angesichts von Leuten im Knast und eines Riesenprozesses, der auch auf Grund ihrer Aussagen zustande gekommen ist, ist der Bruch nicht rückgängig zu machen.
Wir wollen F. nicht mehr in unseren Räumen oder Strukturen sehen.
so’n paar autonome sturköpfe